Einführung
Amazon ist eine der größten eCommerce-Plattformen der Welt. Viele Verkäufer:innen, die einst mit dem Verkauf von Produkten auf Amazon als Hobby oder Start-up begonnen haben, sind mittlerweile profitable Unternehmen. Einige dieser Geschäftsinhaber:innen wollen nun Kasse machen und ihr Unternehmen im Rahmen einer Übernahme durch einen Aggregator verkaufen. Dem Großteil der Unternehmer:innen fehlt es jedoch an Zugang zu zuverlässigen und genauen Informationen über die Anforderungen, die Käufer:innen an ihre Übernahmeziele stellen, sowie über die in ihrer Branche typischen Deal-Strukturen.
Damit Amazon-Verkäufer:innen den Markt besser verstehen und fundierte Entscheidungen treffen können, haben die Experten von NUOPTIMA mit über 20 Amazon-Aggregatoren gesprochen und wertvolle Informationen zu allen Aspekten der Akquisition gesammelt. Diese Informationen und ihre Bedeutung für die Branche stellen wir in einer Artikel-Reihe vor, deren zweiten Teil Du gerade liest. Der erste Teil befasst sich mit den Präferenzen und Anforderungen von Amazon-Aggregatoren an ihre Akquisitionsziele.
Mindest- und Höchstankaufspreise in der Branche

Wenn es um den Erwerb von Amazon-Marken geht, ist der Preis einer der Faktoren, der sowohl für Markeninhaber:innen als auch Aggregatoren von großer Bedeutung ist. Unsere Gespräche mit Akteuren der Branche haben ergeben, dass die meisten Aggregatoren es vorziehen, Amazon-Marken zu erwerben, die mindestens 500.000 bis 1 Million US-Dollar kosten. Im Vergleich dazu gaben nur 6% der Befragten an, dass sie bereit seien, Marken in Betracht zu ziehen, die 100.000 Dollar oder mehr kosten. Weitere 13% der Befragten wollten Unternehmen im Wert von 300.000 Dollar oder mehr erwerben. Derselbe Anteil der Befragten gab an, dass sie Marken im Wert von 5 Millionen Dollar oder mehr ins Auge fassen würden. Der Wettbewerb um größeren Marken ist größer, da es weniger von ihnen gibt. Obwohl Aggregatoren noch immer Marken mit einem Wert von weniger als 1 Mio. $ in Betracht ziehen, wird das zunehmend weniger üblich.
Marken mit einem Wert von weniger als 500.000 $ werden oft als riskante Investitionen betrachtet, die eher scheitern können. Viele Aggregatoren sehen daher von solchen Geschäften ab. Der Arbeitsaufwand für den Deal selbst ist derselbe – egal ob es sich dabei um ein Unternehmen im Wert von 100.000 $ oder 10.000.000 $ handelt. Daher werden eher teurere Deals bevorzugt.

Interessanterweise gab die Hälfte aller Befragten an, dass sie keine Kaufobergrenze haben, was darauf hindeutet, dass sie so viel Kapital wie nötig aufbringen können, wenn eine geeignete Marke auftaucht. Weitere 43% der Befragten gaben an, dass sie für den Erwerb von Marken im Wert von 10 Mio. USD oder weniger offen sind. Das liegt daran, dass größere Marken oft zu teuer für kleine bis mittelgroße Aggregatoren sind. Diese ziehen es stattdessen vor, ihre Portfolios zu diversifizieren.
Mögliche Deal-Strukturen bei Akquisitionen

Unsere Erkenntnisse zeigen, dass die überwältigende Mehrheit der Aggregatoren es vorzieht, Vermögenswerte zu erwerben, die sich im Besitz von Amazon-Marken befinden, anstatt das Unternehmen selbst zu übernehmen. Dieses Vorgehen ist deutlich schneller als der Kauf von Aktien, da die rechtlichen Dokumente einfacher fertigzustellen sind und weniger juristische Due-Diligence-Prüfungen anstehen. Potenzielle Probleme mit Mitarbeiter:innen oder Produkthaftungen aus der Vergangenheit können Käufer:innen damit ausschließen.
Nur 4% der Befragten gaben an, dass sie den Kauf von Aktien bevorzugen. Ganze 40% zogen den Kauf von Vermögenswerten vor, gaben aber an, in bestimmten Situationen einen Aktienkauf in Betracht ziehen zu würden. In einigen Märkten erwerben Aggregatoren beispielsweise aufgrund von Gesetzen und Vorschriften die juristische Person, anstatt die Vermögenswerte des Unternehmens zu kaufen.

Unsere Erkenntnisse zeigen, dass über 60% der Aggregatoren es vorziehen, Amazon-Marken vollständig zu erwerben, während sich nur 4% für Teilinvestitionen entscheiden. Rund 30% der Befragten waren für beide Optionen offen. Hier wird deutlich, dass die Aggregatoren im Allgemeinen nicht glauben, dass sie die Beteiligung des:der Gründers:Gründerin benötigen, um das Unternehmen zu vergrößern oder erfolgreicher zu machen. In der Regel sind Übernahmen mit einer kurzen Übergangszeit verbunden, nach der die Aggregatoren das Unternehmen vollständig übernehmen und nach eigenem Gutdünken führen. Gleichzeitig steht es dem:der Gründer:in frei, sich anderen Unternehmungen zu widmen. Einige Käufer:innen ziehen es jedoch vor, dass Gründer:innen nach der Übernahme für eine gewisse Zeit einen kleinen Teil des Unternehmens weiterführen, da sie glauben, dass dies die Erfolgschancen des Unternehmens steigert.

Wenn es um die Art der bei einer Übernahme übertragenen Vermögenswerte geht, bevorzugen die meisten Käufer:innen eine schnelle und einfache Option, die es ermöglicht, das Unternehmen ohne Unterbrechung weiterzuführen. In den meisten Fällen ist die Änderung der Kontoinhaberschaft die leichteste Option, da sie in der Regel in weniger als einer Woche ohne zusätzliche Prüfungen oder Komplikationen abgeschlossen werden kann. An Standorten oder in Situationen, in denen es schneller geht, die Einträge zu übertragen, entscheiden sich die meisten Käufer:innen jedoch für diese Option. Es ist wichtig zu verstehen, dass Amazon es nicht mag, wenn ein und dasselbe Unternehmen mehrere Konten besitzt. Der Migration des Kontos nach dem Kauf sollte daher von beiden Seiten große Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Die meisten Amazon-Aggregatoren ergreifen Maßnahmen, um das Risiko bei der Übernahme zu verringern. Das geschieht häufig durch die Strukturierung von Geschäften, die neben einer Vorauszahlung in bar auch aufgeschobene Zahlungen oder Gewinnbeteiligungen vorsehen.
Fast 50% der Aggregatoren strukturieren das Geschäft als eine Kombination aus Bargeld und aufgeschobenen Zahlungen (Earn-Out) und möglicherweise auch Gewinnbeteiligungselementen. Es ist relativ selten, dass Verkäufer:innen das gesamte Bargeld erhalten und komplett aussteigen. Auf dem Höhepunkt der Blase Ende 2020 mag es ein paar Fälle gegeben haben, in denen das der Fall war. Dennoch bilden sie die Ausnahme. Momentan sind die Deal-Strukturen mit denen in vielen anderen Branchen vergleichbar, in denen Auszahlungen die Norm sind, anstatt das gesamte Geld im Voraus zu erhalten.
In den meisten Fällen werden etwa 70% der Gesamtsumme in bar bezahlt, während die restlichen 30% zu einem späteren Zeitpunkt als aufgeschobene Zahlung an Verkäufer:innen ausgezahlt werden. Dies hilft den Aggregatoren, das Risiko zu verringern, dass das Unternehmen kurz nach der Übernahme aus unbekannten Gründen scheitert. Allgemeine aufgeschobene Zahlungen (auch Earn-Outs genannt) können als eine Kombination aus dem Erreichen bestimmter Umsatzziele strukturiert werden und ausstehende Zahlungen in 6, 12 oder 24 Monaten leisten. Es ist auch möglich, Verkäufer:innen als Berater:innen an Board zu behalten und ihnen ein Honorar zu zahlen. Dieses Honorar kann ebenfalls Teil des Gesamtkaufpreises sein.
Mehr als 10% der Käufer:innen sind bereit, mit den Verkäufer:innen zusammenzuarbeiten, um andere Geschäftsstrukturen zu entwickeln, von denen beide Seiten profitieren.
Auch bei Inventarzahlungen gibt es verschiedene Kombinationen, etwa Vorauszahlungen oder der Zahlung eines Grobteils des Inventars erst nach dem Verkauf (Konsignationsstruktur). Bei mehr als der Hälfte der Geschäfte wird das Inventar als zusätzliche Zahlung auf den Kaufpreis aufgeschlagen, manchmal kann aber auch ein Konsignationsgeschäft abgeschlossen oder ein Zeitpunkt vereinbart werden, zu dem der Inventarbetrag gezahlt werden muss.
In den meisten Fällen befindet sich ein Teil des Inventars im Amazon-Lager. Das Inventar könnte sich aber auch in einem anderen Lager oder bei einem 3PL befinden. Wenn das Konto bei der Unterzeichnung der Vereinbarung über den Kaufpreis von Vermögenswerten oder Aktien übertragen wird, sollte in der rechtlichen Vereinbarung zwischen dem Inventar, das sich bei Amazon befindet, und dem Inventar, das sich in einem anderen Lager oder bei einem 3PL befindet, unterschieden werden.

Unserer Marktforschung zufolge bietet etwa die Hälfte aller Käufer:innen Aktien der Holdinggesellschaft als Teil des Übernahmegeschäfts an. Diese Praxis birgt zahlreiche Vorteile und Risiken sowohl für Verkäufer:innen als auch für Käufer:innen. Einerseits können Käufer:innen dadurch einen kleineren Teil ihres Kapitals für den Erwerb neuer Unternehmen einsetzen. Andererseits verwässern Aggregatoren die Aktien des Unternehmens, indem sie Verkäufer:innen eine Beteiligung an der Holdinggesellschaft anbieten. Diese Praxis kann auch weitere rechtliche Komplikationen mit sich bringen.
Gleichzeitig erhalten Verkäufer:innen so die einmalige Gelegenheit, in die Holdinggesellschaft zu investieren – der breiten Öffentlichkeit ist das normalerweise nicht zugänglich. Dies kann die Gewinnchancen des:der Verkäufers:Verkäuferin weiter erhöhen. Gleichzeitig besteht das Risiko, dass der Aggregator weniger gut abschneidet und der Gewinn für Verkäufer:innen weniger hoch ausfällt als erwartet.

Während viele Amazon-Geschäftsinhaber:innen glauben, dass sie nach dem Verkauf an einen Aggregator noch lange im Geschäft bleiben müssen, ist das in der Regel nicht der Fall. Aus unseren Interviews konnten wir die Erkenntnis ziehen, dass mehr als 25% der Käufer:innen nicht verlangen, dass Verkäufer:innen nach Abschluss der anfänglichen Schulungs- und Übergangsphase im Geschäft bleiben. Gleichzeitig gaben 10% der Befragten an, dass sie es bevorzugen, wenn Verkäufer:innen einen Monat lang im Geschäft bleiben, und etwas mehr als 20% der Befragten forderten eine dreimonatige Betriebszugehörigkeit.
Dies zeigt, dass Käufer:innen im Allgemeinen Vertrauen in ihre Fähigkeiten haben, wenn es darum geht, die von ihnen erworbenen Unternehmen zu führen. Gleichzeitig gaben viele Befragte an, dass sie die Entscheidung über die Beteiligung des:der Verkäufers:Verkäuferin von Fall zu Fall treffen und dabei zahlreiche Faktoren berücksichtigen.
Schlussfolgerungen
Alles in allem können wir zu dem Schluss kommen, dass Käufer:innen nach erfolgreichen Unternehmen suchen, die eine nachgewiesene Verkaufsbilanz haben, aber noch optimiert werden können. Damit streben Käufer:innen ein schnelles Wachstum und höhere Gewinne an. Die meisten Amazon-Aggregatoren ziehen es vor, Übernahmen durchzuführen, indem sie die Vermögenswerte und nicht das Unternehmen selbst kaufen. Das ist in der Regel die einfachste und schnellste Methode. Verkäufer:innen übertragen hier in der Regel das Eigentum an ihrem Amazon-Konto, anstatt die Listings zu verschieben. Einige Käufer:innen sind bereit, Verkäufer:innen eine Beteiligung an der Holdinggesellschaft zu gewähren. Die meisten Aggregatoren verlangen hierbei nicht, dass Verkäufer:innen für einen längeren Zeitraum im Unternehmen bleiben.